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Die SPD-Frontfrau Nahles möchte ein sog. “Tarifeinheitsgesetz” [1] einführen. Hier soll es nun darum gehen, weshalb dies nichts anderes als eine grundgesetzwidrige Gleichschaltung der Interessensvertretungen der Arbeitnehmer bedeutet, wie wir sie bereits schon einmal im “Dritten Reich” und der “Ostzone” erlebt haben.
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In den letzten Jahrzehnten wurde in Deutschland immer deutlicher, daß die großen Gewerkschaften wie “ver.di” ihre grundgesetzlich verankerte Aufgaben nur noch unzureichend wahrgenommen haben. So hat sich beispielsweise bei der Lufthansa mit der Vereinigung Cockpit (VC) eine eigenständige Pilotenvertretung entwickelt. Indem sich die Piloten zu einer eigenen Interessensvertretung zusammengeschlossen haben, konnten sie gegenüber der Geschäftsleitung der Lufthansa sehr viel bessere Arbeitsbedingungen und eine bessere Altersversorgung erreichen als die sozialistische Gewerkschaft „ver.di“. Wenn es um die Arbeitsbedingungen der Piloten geht, dann weiß die VC eben, wovon die Rede ist. Was man von „ver.di“ nicht gerade behaupten könnte.
Ähnlich sieht dies bei der Gewerkschaft der Lockführer und des Zugbegleitpersonals (GDL) aus. Wegen der entgegenstehenden Interessen und ihrer fachlichen Inkompetenz war eine wirksame Interessensvertretung der Lockführer und des Zugbegleitpersonals bei der Bahn seitens der sozialistischen Gewerkschaft “ver.di” nicht mehr gewährleistet. Deshalb haben sich die Lockführer und das Zubegleitpersonal in der eigenständigen Interessensvertretung der GDL zusammengeschlossen.
Bereits vor der GDL und der VC gab es bereits Arbeitnehmerbewegungen, die sich von den sozialistisch geprägten Einheitsgewerkschaften distanziert haben. Auf diese Weise ist z.B. auch der Christliche Gewerkschaftsbund Deutschlands (CGB) entstanden. Auf dem ersten Blick mag man dem diesen Interessensvertretungen vorwerfen, daß ihre Tarifabschlüsse mit der Arbeitgeberseite für die Arbeitnehmerseite von Nachteil gewesen sind. Diese Kritiker verkennen jedoch, daß es Branchen gibt, in denen es eben nicht so komfortable Bedingungen gibt, wie wir sie in der Automobilbranche oder der chemischen Industrie vorfinden. Die Tarifabschlüsse mit nichtsozialistischen Interessensvertretungen haben also maßgeblich dazu beigetragen, daß der Wirtschaftsstandort Deutschland erhalten geblieben und eben nicht vollständig nach Fernost abgewandert ist.
In diesem Sinne haben der CGB, die GDL und die VC lediglich von der Vereinigungsfreiheit in Art. 9 GG [2] Gebrauch gemacht. Der Art. 9 GG schützt nämlich sowohl die positive wie die negative Vereinigungsfreiheit. Die positive Vereinigungsfreiheit schützt das Recht, sich zur Wahrung der eigenen Interessen zusammenschließen zu können. Mit dieser positiven Vereinigungsfreiheit ist auch das Streikrecht gewährleistet. Denn ohne das Streikrecht ist eine effektive Durchsetzung der Interessen der Arbeitnehmer gegenüber den Arbeitgebern nicht gewährleistet. Die negative Vereinigungsfreiheit beinhaltet hingegen das Recht, sich zur Wahrung der eigenen Interessen nicht einer bestimmten Interessensvertretung anschließen zu müssen. Nach Nahles Tarifeinheitsgesetz wären jedoch alle Arbeitnehmer gezwungen, sich einer einzigen Arbeitnehmervertretung anzuschließen. Selbst wenn diese ganz andere Interessen vertritt. Damit wäre die Vereinigungsfreiheit in Art. 9 GG gleich doppelt verletzt.
Historisch betrachtet ist das Streik- und Vereinigungsrecht in Art. 9 GG ein Kernanliegen der sozialdemokratischen Arbeitervereinigungen. Nicht zuletzt nach den Erfahrungen im Dritten Reich hat auch der bürgerliche Verfassungsstaat erkannt, daß das Prinzip der Tarifautonomie für den sozialen Frieden und den Rechtsfrieden von zentraler Bedeutung ist. Weder die gleichgeschaltete Arbeiterbewegung im Dritten Reich noch die sozialistisch gleichgeschalteten Einheitsgewerkschaften haben jemals einen derart ausgewogenen Interessensausgleich erreicht, wie dies in der heutigen Bundesrepublik der Fall ist.
Mit dem „Tarifeinheitsgesetz“ möchte die SPD-Frontfrau Nahles nun in den Betrieben das Prinzip der Einheitsgewerkschaft einführen. Getreu dem Highlander-Prinzp soll es also nach Nahles nur noch eine einzige, eine gleichgeschaltete Interessensvertretung der Arbeitnehmer geben. Da die Gewerkschaftslandschaft in Deutschland mehrheitlich sozialistisch geprägt ist, bedeutet dies nicht mehr und nicht weniger, daß die Arbeitnehmervertretungen nach Nahles sozialistisch gleichgeschaltet werden. In diesen zählen erfahrungsgemäß nicht mehr die Interessen der konkret betroffenen Arbeitnehmer, sondern die ideologische Ausrichtung der Gewerkschaftsführung. Nicht ohne Grund zählen Arbeitsbedingungen der Angestellten dieser sozialistisch geprägten Gewerkschaften zu den schlechtesten überhaupt. Diese sind genauso schlecht wie die Arbeitsbedingungen in den kirchlichen Einrichtungen. Oder gar schlechter.
Vor diesem Hintergrund muß sich die SPD-Frontfrau Nahles nicht nur fragen lassen, wie sie es selbst mit den Traditionen der sozialdemokratischen Arbeitnehmervereinigungen hält. Sie muß sich auch fragen lassen, ob sie sich noch auf dem Boden der freiheitlichen republikanischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bewegt oder ob sie mit ihrer sozialistischen Gleichschaltung der Gewerkschaften nicht vielmehr auch die Abschaffung von CGB, GDL und VC beabsichtigt. Andernfalls könnte wieder die Redewendung „Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten!“ die Runde machen.
Vor diesem Hintergrund wäre es sehr zu begrüßen, wenn auch die Union endlich aufwachen und ihrem Koalitionspartner endlich ein klares, aber eindeutiges „Wehret den Anfängen!“ entgegenhalten würde! Es darf keine sozialistische Gleichschaltung der Arbeitnehmerverbände geben! Denn dies würde auch das Ende des Christlichen Gewerkschaftsbundes bedeuten! Dies kann auch nicht im Interesse der Union sein!
Für uns mögen daher die Streiks der GDL lästig sein. Wir sollten uns dabei aber darüber im Klaren sein, daß es bei den Streiks der GDL um sehr viel mehr geht, als nur um Arbeitslöhne und -zeiten der Lockführer und des Zugbegleitpersonals. Es geht hier auch um unsere freiheitliche republikanische Grundordnung! Das sollte es uns wert sein, auch ein Paar Male eine halbe Stunde früher aufstehen zu müssen, um rechtzeitig zum Arbeitsplatz zu kommen! Denn sonst werden wir eines Tages, wenn es nach Frau Nahles ginge, in einem Land aufwachen, welches die Bezeichnung „Republik“ nur noch im Namen führt. Wie seinerzeit die sog. „Deutsche Demokratische Republik“. Diese war auch weder deutsch, noch demokratisch, geschweige denn republikanisch.
[1] Entwurf des sog. Tarifeinheitsgesetzes: http://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/Thema-Arbeitsrecht/entwurf-gesetz-tarifeinheit.pdf?__blob=publicationFile
[2] Art. 9 GG: http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_9.html
© 2015 Markus Bechtel. Alle Rechte vorbehalten.
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