Nach der Wahl Donald Trumps wurde von verschiedenen Mainstreammedien die Idee einer europäischen Verteidigung ohne die Vereinigten Staaten propagiert. Kann das funktionieren? Und wenn, dann wie?
Geht nicht, gibt’s nicht. Aber vor den Preis haben die Götter allerdings den Schweiß gesetzt. Es wären enorme Anstrengungen erforderlich.
Der Iststand ist ernüchternd. Nach dem bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU hat nur Frankreich eine geringe Menge Kernwaffen. Rußland hatte 2016 insgesamt 7.290 nukleare Sprengköpfe, Frankreich dagegen 300. Das Verhältnis ist 24:1. Deutschland hat keine Kernwaffen und ist militärisch eine Null. Vom deutschen Verteidigungshaushalt, der ohnehin gering ist, gehen nur 15 % in die Beschaffung, über 50 % sind Personalausgaben. Technisch ist die Bundeswehr auf einen wirklichen Angriff unvorbereitet, da sie in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur auf Auslandseinsätze mit humanitärer Hilfe getrimmt worden ist.
Mit dem Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU geht ein großer Teil der Kompetenz bei der europäischen Raketenherstellung den Bach runter. Die Firmen Babcock, BAE Systems, Rolls Royce, Serco Group und Redhall Group gehen für europäische Rüstungsprojekte verloren. Es bleiben EADS, Finmeccanica, Safran und Thales im EU-Gebiet übrig. Der deutsche Beitrag ist Null und Deutschland würde bei Rüstungsprojekten der Raketentechnik nahezu dort anfangen, wo es in Peenemünde aufgehört hat.
In der Herstellung von Raketenabwehrsystemen ist Deutschland nur Mitspieler. Die Entwicklungsarbeiten am Raketenabwehrsystems Meads erfolgten gemeinsam mit den USA und Italien. Frau Dr. Merkel wußte nie richtig, ob sie das Waffensystem wollte oder auch nicht. Die Entwicklung war deshalb ein Stop und Go. Seit 2015 stehen die Signale wieder auf grün. Ohne Lockheed Martin aus den Vereinigten Staaten geht jedoch nichts. Technologisch ist Europa derzeit völlig abgehängt.
Neben dem technischen Rückstand ist die Abgrenzung des Bündnisses eine offene Frage. Kann man erpresserische und offen korrupte Regime wie das griechische in eine europäische Verteidigung einbeziehen, zumal die Verhältnisse auf dem Balkan keine zuverlässige Prognose der politischen Entwicklung gestatten? Sollte hinter der ehemaligen österreichisch-ungarischen Grenze der gemeinsam zu verteidigende europäische Kulturraum enden? Wäre eine russische Dauerpräsenz im orthodoxen Gebiet des Balkans (Albanien und Rumänien ausgenommen) nicht eine kostensparende Option, um die Türkei und den Nahen Osten von Europa auf Distanz zu halten? Bei der Berliner Konferenz 1878 wurde das von Europa nicht gewünscht. Aber damals war der Nahe Osten einschließlich der Türkei kein Machtfaktor mehr, mit dem man rechnete und rechnen mußte. Das Beitragsbild zeigt Napoleon 1798 in Alexandria. Solche kraftraubenden Expeditionen könnte sich Europa sparen, wenn Rußland die Aufräumarbeiten im östlichen Mittelmeerraum, zunächst in Syrien übernimmt.
Fragen über Fragen, die nach den zahlreichen Balkankriegen und der von Frau Dr. Merkel tatkräftig geförderten Entdemokratisierung der Türkei durchaus ihre Berechtigung haben. Eine Einbeziehung von aufgeregten Kampfhähnen in eine europäische Sicherheitsarchitektur macht keinen Sinn.
Zu bedenken ist auch, daß die deutsche Regierung auf internationale Entwicklungen sehr unprofessionell reagiert. Was wäre, wenn es eine Europäische Armee bereits gäbe und nächsten Frühling würde Frau Le Pen in Paris Präsidentin? Würde die Berliner Administration das Bündnis zwischen Paris und Berlin durch leicht dahergesagte Gefühlsäußerungen belasten (HaßpredigerIn…)? Warschau und Budapest, auch Wien kämen mit einem Regierungswechsel in Frankreich sicher klar. Aber das von den zwangsfinanzierten Staatsmedien durchideologisierte Deutschland auch?
Bevor eine europäische Verteidigung funktionieren kann, muß erst einmal aufgeräumt werden. Der Euro behindert eine vertrauensvolle Zusammenarbeit zwischen den Hauptakteuren Deutschland, Frankreich und Italien. Er muß weg. Das ist Grundvoraussetzung. Und die europäischen Verträge müssen im Sinne eines Europas der Vaterländer neu verhandelt werden. Man kann sich nicht gemeinsam verteidigen, wenn jede Rüstungsentscheidung von währungs- und wirtschaftspolitischem Dissenz überschattet wird und wenn man sich in wirtschaftspolitischen Fragen gegenseitig dominieren will.
Um die Mittel für die Aufrüstung zu generieren müssen die Reichen und Leistungsfähigen angemessen und gleichmäßig besteuert werden. Große Steuerschlupflöcher wie Stiftungen müssen geschlossen werden, ressourcenfressende Experimente wie die Energiewende rationalisiert. So können große finanzielle Mittel mobilisiert werden, ohne daß der Mittelstand stärker belastet wird oder Steuern erhöht werden müssen. Agitation gegen die Verteidigung und Beleidigung von Soldaten müssen mit angemessenen Geldbußen, ersatzweise mit Hausarrest bestraft werden. Die Wehrpflicht muß wieder eingeführt werden, um den Anteil der Personalkosten am Verteidigungshaushalt zu senken.
Europa braucht angesichts der Aufrüstung im Nahen Osten und in Rußland ein jährliches Beschaffungsbudget von etwa 150 bis 200 Mrd. €. Zum Vergleich: Allein Saudi-Arabien gibt fast 80 Mrd. $ jährlich für Rüstungen aus, Rußland etwa gleich viel. Selbst die Vereinigten Arabischen Emirate bringen 23 Mrd. $ auf. Zusätzlich müssen Forschungs- und Entwicklungsleistungen auf die Beine gestellt werden. Die Forschungsmittel könnten durch drastische Einsparungen bei den Orchideenfächern im Bildungssystem generiert werden.
Frankreich könnte sich mit finanzieller deutscher Unterstützung auf die nuklearen Fähigkeiten konzentrieren, Deutschland, Italien, Spanien und Polen wären als größte europäische Staaten auf konventionellem Gebiet gefordert als Regionalmächte mit den jeweils angrenzenden Mittel- und Kleinstaaten gemeinsame Einheiten zu bilden.
Voraussetzung einer europäischen Zusammenarbeit ist Vertrauen. Eine ständige deutsche Moralinberieselung ist dabei störend. Man kann Partner nicht belehrmeistern und kritisieren, wenn sie vom engen germanischen Pfad der Tugend abweichen. Wenn die derzeitig herrschende Merkel-Regierung gestürzt würde, wären deshalb noch kühnere europäische Träume möglich. Das Vereinigte Königreich wäre ohne Merkel, Schulz und Juncker vielleicht bereit nach Europa zurückzukehren oder den Brexit gar nicht erst zu vollziehen.
Die Umstellung würde, wenn man 2017 beginnt, etwa zwei Jahrzehnte benötigen. Vorher ist eine funktionierende europäische Verteidigung eine wirre Phantasievorstellung. Trotzdem muß Europa Visionen entwickeln. Mindestens als Plan B.