In den kommenden Tagen, genau am 3. März, jährt sich zum hundertsten Mal der Friedensvertrag Deutschlands, Österreichs, Ungarns und der Türkei mit den Bolschewiken.
Ein Rückblick auf das Siegesgeschrei der deutschen Pseudoeliten aus Kultur und Publizistik ist sehr aufschlußreich, weil man viele Parallelen zur horizontlosen und unrealistischen Außenpolitik der Groko erkennt. Am deutschen Wesen sollte und soll die Welt genesen, wenn es nach der Berliner Schickeria geht. Moralisches Hochgefühl überwucherte 1918 genauso wie 2018 die rationale Weltsicht. Für etwa drei Monate spintisierte man sich in Redaktionen, Schreibstuben und Ateliers den Endsieg zusammen, obwohl die mentalen und gesundheitlichen Ressourcen der sogenannten „Muschpoke“ in den Schützengräben weitgehend aufgebraucht waren. Das „Pack“ fürchtete 1918 einen fünften Kriegswinter. Weil die Oberste Heeresleitung im Unterschied zu den Literaten den Kontakt nach unten noch hatte, gab sie im Herbst 1918 auf.
Die von den mitteleuropäischen Elitisten – nicht nur den deutschen – lang ersehnte Reinigungskatastrophe – der Erste Weltkrieg – hatte mit Geländegewinnen der Mittelmächte verheißungsvoll begonnen, nach dem Sonderfrieden im Osten im Frühjahr 1918 jubilierten einige unverbesserliche Kriegstreiber wie Fidus, Tucholsky, Th. Mann, Graf Kessler, Döblin und Rathenau, weil sie den deutschen Sieg schon in der Tasche glaubten. Denn bis auf eine Million Soldaten, die die Ostgrenzen weiter sicherten, konnten nun viele deutsche Verbände an die Westfront verlegt werden und viele österreichisch-ungarische an die italienische Front.
Was die staatlich bezahlte Geschichtswissenschaft dazu alles erforscht hat, will ich mal beiseite lassen. Es ist interessengeleitet, um die derzeitige Berliner Politik irgendwie zu rechtfertigen und in einem milden Licht erscheinen zu lassen. Authentischer sind immer Zeitdokumente. Sehr aussagekräftig sind die Tagebücher des Grafen Kessler, Rathenaus Aufsatz „An die deutsche Jugend“ und Thomas Manns „Betrachtungen eines Unpolitischen“. Alle drei Dokus stammen aus den sechs Monaten zwischen dem siegreichen Ostfrieden und der fatalen Kapitulation im Westen.
Graf Kessler war beim Beginn des Krieges an der Ostfront eingesetzt. Zum Zeitpunkt des Friedensschlusses mit Rußland war er Leiter der deutschen Kulturpropaganda an der Gesandtschaft in Bern.
Am 17.3.1918 notierte er: „Wie ähnlich die Ordnung, die wir im Osten schaffen, dem napoleonischen System ist, ist in die Augen springend. Heute wie damals ein System selbständiger Schutzstaaten, die planetanartig um einen mächtigen Centralstaat gravitieren sollen. Es fragt sich, ob wir solider bauen als Napoleon.“ Diese Anmerkung bezog sich auf die Errichtung der Baltenstaaten, Polens, Finnlands, der Ukraine und auf den Frieden mit Rumänien.
Einen Tag später phantasierte er von einer „der akutesten Wirkungen des Ostfriedens, und der dadurch in Ungeheure gesteigerten Machtstellung Deutschlands.“
In den Folgewochen ergötzte er sich an der deutschen Offensive im Westen: Am 23.3.1918: „Heute meldet der Bericht aus Frankreich 26.000 Gefangene, 400 Geschütze, 300 Maschinengewehre und verschiedene Einbrüche bis zur dritten englischen Stellung. Der Kaiser wird offiziell als Leiter der Schlacht genannt.“
24.3.1918: „…bombardieren wir heute Paris aus einer Entfernung von 120 km, alle Viertelstunde eine 24 cm Granate…“ Nicht ohne zu bedauern, daß man auf diese Entfernung nicht zielen kann und viele Kulturgüter zerstört werden könnten.
Am 8. April erfreute er sich an fragilen Gerüchten: „Gestern habe ein französischer Offizier (…) einem Bekannten (…) gesagt: die Erfolge der Deutschen im Osten und ihre Siege jetzt in Frankreich ließen ihn der Ansicht zuneigen, daß vielleicht wirklich die Deutschen infolge ihrer Tüchtigkeit dazu berufen sein, die Welt zu beherrschen.“
Er zitierte den elsässischen Schriftsteller René Schickele: „Die Deutschen müßten die geistige Führung an sich reißen. Eine moralische Offensive sei nötig…“
Weiters erwähnte Graf Kessler folgende „deutsche Erfolge im Osten“: Die Gründung Estlands, der Frieden mit Rumänien, die Eroberung Odessas…
Am 31. Mai notierte er: „…unsere Truppen haben die Marne erreicht – Reims ist eng umklammert.“
Ende Juni drehte sich das Blatt: 29. Juni 1918: „Gegenoffensive Fochs an der Lys und Aisne. Schwere Kämpfe. Unsere Verluste sind sehr groß.“ Von nun an gings bergab. Auch in den Tagebüchern.
Rathenau wollte ähnlich wie Merkel Afrika auf den Kopf stellen: Ganz im Stil der Zeit schrieb er in seinen „Erwägungen über die Erschließung des Deutsch-Ostafrikanischen Schutzgebiets“, daß wir hoffen dürfen, „daß die Erziehung zur Kolonisation abermals dem deutschen Geist ein Gebiet erschließen werde, das seiner irdischen Mission entsprechen werde.“ Damals horizontloser Kolonialeifer im deutschen Geiste, heute die vermessene „Bekämpfung von Fluchtursachen“. Damals wie heute: Vergebliche Liebesmüh bei der erhofften Umkremplung von tribalistischen Strukturen, bei der Zurückdrängung von Hexenglauben und kannibalischen Bräuchen.
Kurz vor dem militärischen Zusammenbruch an der Westfront, nach dem deutschen Sieg im Osten veröffentlichte Rathenau einen Aufruf „An Deutschlands Jugend“, der von Moralin und Idealismus nur so troff, in dem reale Fakten jedoch nicht vorkamen, reiner Fake Shit also:
„Dies ist die Frage, die dir, deutsche Jugend, gestellt ist: Kannst du noch einmal den deutschen Geist zur Einheit der Überzeugung, zur Treue der Weltanschauung aufrufen? Es sei nicht die heilige Einheit des Mittelalters, die bleibt uns verloren; es sei eine vielfältige Kraft, doch darin einig, daß sie das Geistige über das Irdische stellt.“
„Werte werden nicht erdacht und erstritten, sondern geschenkt. Geschenkt dem, der reinen Herzens ist, und dessen Geist schweigen kann. Sie sind das Geschenk überintellektueller Kräfte, deshalb bedürfen sie keiner Begründung und keines Beweises, sie bestehen aus eigener Kraft, denn sie entstammen dem Reich der Seele.“
„Neu wird unsere Lebensweise, unsere Wirtschaft, unser Gesellschaftsbau und unsere Staatsform. Neu wird das Verhältnis der Staaten, der Weltverkehr und die Politik. Neu wird unsere Wissenschaft, ja selbst unsere Sprache.“
Diese Prognosen sollten sich leider weltweit bewahrheiten, allerdings 100 Jahre später. Das PC-Geschwurbel wuchert seit der Jahrtausendwende wie ein Krebsgeschwür, die Wissenschaft ist zur Regierungspropaganda verkommen: Klimamodelle und Gender-Gaga. Falls Merkel und ihr Anhang noch fluffige Sprechblasen suchen, bei Rathenau kann man sich seitenweise bedienen.
Nach dem Ausscheiden Russlands aus dem Feindbund Entente wurde in der Wahrnehmung der deutschen Intellektuellen ein ideologisch klar umrissener Kampf der idealistischen Kultur mit dem westlichen Mammonismus und Demokratismus stilisiert. In den „Betrachtungen eines Unpolitischen“ schüttete Thomas Mann seine gelb gewordene Galle über den wahren Feind der Menschheit aus. Der westlichen Zivilisation stellte er die deutsche Kultur als Leitbild entgegen: Der deutsche kosmopolitische Bürger der geographischen, sozialen und seelischen Mitte bleibe Träger deutscher Geistigkeit, Menschlichkeit und Anti-Politik.
Was sich aus den Zeitdokumenten erschließt, ist der virulente Kulturimperialismus, dieses penetrante Besserseinwollen, welche das deutsche Auftreten auf der Weltbühne schon seit 1900 beherrscht hat. Merkel, ihre sozialdemokratische und grüne Koterie sowie die Lügenpresse reiten, wenn sie dieses Konzept reanimieren, ein totes Pferd.
So wie die Entente-Mächte der überschäumenden Berliner Rechthaberei ein Ende gesetzt haben, so werden in nicht ferner Zukunft die Atommächte Rußland, die Vereinigten Staaten, Indien und China der deutschen Oberhoheit über die Gummiboote ein Ende setzen: Die drohende moralische und kulturelle Weltherrschaft der Berliner Phantasten werden sie nicht zulassen. Selbst Nicht-Atommächte wie Tschechien, Polen, Österreich und Ungarn, aber auch die Türkei rebellieren inzwischen mehr oder weniger offen gegen das Berliner Idiotenregime.
Für die Goldfreunde noch folgender Hinweis: Kurz vor dem Ersten Weltkrieg wurde der Goldstandard der Mark beseitigt, das Einwechselversprechen von Banknoten gegen Gold aufgegeben. Die Kriegsfinanzierung war eben nur mit wertlosen Papierschnitzeln als Geld möglich. Die Eliten wußten, daß der Krieg bevorstand und sie arbeiteten darauf hin.