Angesichts der zunehmenden Tendenzen zur Planwirtschaft in Deutschland – man sehe nur auf den Energie-„Markt“ oder den Arbeitsmarkt, aber auch auf alle durch Gebührenordnungen geregelten Bereiche – ist ein Blick zurück auf die Weimarer Republik lehrreich. Wie diese Episode der deutschen Geschichte endete, ist bekannt.
Vor dem Ersten Weltkrieg war der Annahmezwang für Papiergeld eingeführt worden und die Golddeckung der Reichsmark wurde abgeschafft. Mit dem Ausbruch des Krieges wurde umgehend die Kriegswirtschaft eingeführt, die bis in die späten 40er Jahre beibehalten wurde, im Osten noch länger.
Walther Rathenau wurde im August 1914 Leiter der Kriegsrohstoffabteilung (KRA), die bald zu einer obersten Reichsbehörde ausgebaut wurde. Rathenau formte eine staatlich gelenkte Mangelbewirtschaftung als Mischung aus staatlichen Eingriffen und industrieller Selbstverwaltung, in deren Gefolge rund 200 Kriegsrohstoffgesellschaften gegründet wurden. Diese Gesellschaften waren letztlich Zwangssyndikate, in denen alle Produzenten der kriegsnotwendigen Erzeugnisse vereint wurden.
Bereits in der Bismarck-Zeit war der Staatssektor der Wirtschaft durch die Verstaatlichung der Eisenbahnen ausgeweitet worden. 1899 wurden 57 % der Staatseinnahmen nicht durch Steuern, sondern durch die Einnahmen aus der Eisenbahn gedeckt. So wie man heute mit dem Energieverbrauch die Rente verdient, so erwirtschaftete man damals durch Eisenbahnfahren den Staatsaufwand im allgemeinen. Der Staatssektor der Wirtschaft war relativ klein und sollte nicht das bestimmende Herrschaftsverhältnis bedeuten.
Den Charakter der Machtausübung bestimmten seit Kriegsausbruch vielmehr die Kriegsrohstoffgesellschaften und Kriegsaktiengesellschaften, die jeweils alle privaten Unternehmen eines Wirtschaftszweiges umfaßten. Sie erfaßten die knappen Rohstoffe, verteilten sie an die Betriebe und stützten sich dabei auf Weisungen der Kriegsrohstoffabteilung des Preußischen Kriegsministeriums. Am Kriegsende gab es etwa 35 solche Gesellschaften, die überwiegend aus den Wirtschafts- und Unternehmerverbänden der entsprechenden Branche hervorgegangen waren.
Diese planwirtschaftlichen Institutionen der Kriegswirtschaft, deren einziger Abnehmer bis zum Kriegsende das Waffen- und Munitionsbeschaffungsamt war, wurden gleich nach dem Waffenstillstand um das Reichsamt für wirtschaftliche Demobilmachung ergänzt. Walter Rathenau hatte bereits 1916 gedroht:
“Die Rohstoffabteilung wird auch im Frieden nicht zu bestehen aufhören, sie wird den Kern eines wirtschaftlichen Generalstabs bilden.”[1]
Der Erbauer der Kriegswirtschaft, Walter Rathenau war von Anfang an ein sozialistischer Zwangscharakter und setzte sich für eine aktivere Rolle des Staates bei der Sicherung der Zukunftsinteressen Deutschlands ein. In seiner Schrift “Von kommenden Dingen”, die 1916 verfaßt wurde, schrieb er:
“Das Ziel aber ist der materiell unbeschränkte Staat. Er muß mit seinen Mitteln dem Bedürfnis vorauseilen, nicht nachhinken…Er soll eingreifen können in jeder Not, zu jeder Sicherung des Landes…”
Was meinte er mit dem materiell unbeschränkten Staat? Meinte er eine idealisierte Diktatur? Kurz vor dem Ende des Weltkriegs, kurz vor dem militärischen Zusammenbruch an der Westfront, nach dem deutschen Sieg im Osten veröffentlichte er einen Aufruf “An Deutschlands Jugend”:
“Neu wird unsere Lebensweise, unsere Wirtschaft, unser Gesellschaftsbau und unsere Staatsform. Neu wird das Verhältnis der Staaten, der Weltverkehr und die Politik. Neu wird unsere Wissenschaft, ja selbst unsere Sprache.”[2]
Alle Prognosen sollten sich leider bewahrheiten, allerdings unter nationalsozialistischen Vorzeichen. Selbst die Sprache wurde reformiert – statt von der Nase sprach man vom Gesichtserker – von der Staatsform, dem Verhältnis der Staaten zueinander und der neuen Lebensweise in Konzentrationslagern ganz zu schweigen.
Als der Erste Weltkrieg beendet war, muß es Ende 1918 schon Leute mit gesundem Menschenverstand gegeben haben. Sonst wäre das Therapieren der Ärzte am Krankenbett der Kriegswirtschaft nicht erforderlich gewesen: Am 28. Dezember 1918 erfolgte die “Bekanntmachung über die Gültigkeit der während des Krieges von dem Bundesrate, dem Reichskanzler, der Heeresverwaltung und den militärischen Befehlshabern erlassenen wirtschaftlichen Verordnungen”.[3]
“Eingriffe einzelner Personen sowie örtlicher Instanzen in die durch die Kriegswirtschaftliche Verordnungen geregelten Gebiete zeugen von der vielfach herrschenden Auffassung, daß diese Regelungen durch die Änderung der Regierungsform außer Kraft getreten seien.
Demgegenüber wird ausdrücklich festgestellt, daß alle von dem Bundesrate, dem Reichskanzler, der Heeresverwaltung und den militärischen Befehlshabern innerhalb ihrer Zuständigkeit erlassenen kriegswirtschaftlichen Verordnungen, soweit nicht ihre Aufhebung seitens der zuständigen Stellen besonders verfügt ist, ihre Wirksamkeit in vollem Umfange behalten haben und daß auch in Zukunft die Regelung der Bewirtschaftung der in Frage kommenden Stoffe ausschließlich den in den Verordnungen genannten oder den inzwischen an ihre Stelle getretenen Behörden vorbehalten ist. Jedes Eingreifen Dritter in die durch kriegswirtschaftliche Anordnungen geregelte Gebiete ist unzulässig und strafbar.”
Unterzeichnet hatten Ebert, Scheidemann, der Staatssekretär des Reichswirtschaftsamts Dr. August Müller und der Staatssekretär des Reichsamtes für wirtschaftliche Demobilmachung Koeth.
Die planwirtschaftliche Wirtschaftspolitik der Zwanziger Jahre sollte allen eine Warnung sein, die glauben, daß man ohne Marktwirtschaft an einer Diktatur vorbeischrammt. Die deutsche Wirtschaft blieb in Kartellen noch aus Zeiten der Kriegswirtschaft straff organisiert, Rohstoffe, der Wohnungsmarkt, der Lebensmittelmarkt und der Arbeitsmarkt wurden staatlich bewirtschaftet. Die Politik hatte sich auf planwirtschaftliche Mangelverwaltung und Krisenmanagement zurückgezogen, schöpferische und energische Impulse aus der Politik, diese Mängel zu beseitigen, gab es praktisch nicht. Man wurstelte sich mit der von Dr. Rathenau geschaffenen Kriegswirtschaft so durch, bis Hitler an die Macht kam. Er fand in dieser Kriegswirtschaft bereits vor, was er brauchte, um den nächsten Krieg vorzubereiten.
Edgar Jaffé, der mit Werner Sombart und Max Weber das „Archiv für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik“ herausgab konstatierte, dass die Militarisierung des deutschen Wirtschaftslebens unverkennbar staatssozialistisches Gepräge trage und die Rückkehr zur deutschen Tradition der festen und planmäßigen Ordnung des Wirtschaftslebens bedeute.[4] Der deutschen Linken, Jaffé war USPD-Mitglied, fiel nichts innovativeres ein, als in altdeutscheste Traditionen zurückzufallen.
Im März 1919 wurde das Kohlenwirtschaftsgesetz erlassen und der Reichskohlenverband gegründet. Auf Millionen Flugblättern wurde den Massen suggeriert: “Die Sozialisierung ist da! Das Kohlensyndikat wird sofort sozialisiert.” Im “Handbuch für die Wähler der USPD” zur Reichstagswahl 1920 war vermerkt, daß das Kohlenwirtschaftsgesetz “an Stelle der früheren schrankenlosen Privatwirtschaft die deutsche Gemeinwirtschaft” begründen sollte.“[5]
“Die Reichsregierung schließt die Kohlenerzeuger für bestimmte Bezirke zu Verbänden und diese zu einem Gesamtverband zusammen. An der Verwaltung der Verbände sind die Arbeitnehmer zu beteiligen…Den Verbänden liegt die Regelung von Förderung, Selbstverbrauch und Absatz unter Aufsicht des Reichskohlenrats ob. Die Reichsregierung führt die Oberaufsicht und regelt die Feststellung der Preise”. Bei der Feststellung dieser Preise gab es naturgemäß Probleme. Sie waren nicht marktgerecht, sondern aus zweifelhaften Kalkulationen entstanden, über die Höhe der kalkulatorischen Gewinne der Kohlewirtschaft wurde permanent gestritten.
Parallel mit der Kohlewirtschaft wurde die Planwirtschaft in der Kaliindustrie zementiert. Am 24.4.1919 wurde das Gesetz über die Regelung der Kaliwirtschaft erlassen, ein Reichskalirat entstand nach dem Muster des Reichskohlenverbands.
Am 1.4.1920 wurde der Eisenwirtschaftsverband gegründet. Seine Aufgaben waren die Sicherstellung des dringenden Eisenbedarfs, die Festsetzung und Regelung der Inlandspreise, die Regelung der Ein- und Ausfuhr von Eisen und Stahl sowie die Regelung des Schrotthandels. Der Eisenwirtschaftsbund war wie folgt zusammengesetzt: Erzeuger 34, Händler 12 und Verbraucher 24, jeweils die Hälfte der einzelnen Gruppen waren Beschäftigte, die andere Hälfte Unternehmer. Die Befugnisse des Reichswirtschaftsministeriums umfaßten die Genehmigung der Geschäftsordnung, das Ablieferungssoll, die Enteignung von Erzeugnissen, Bestandsaufnahmen, Durchsuchungen, Beschlagnahmen, die Festsetzung von Ausfuhrkontingenten und die Erlangung von Auskünften von Beteiligten. Beschlüsse konnten beanstandet werden, wenn öffentliche Interessen gefährdet schienen. Gefängnisstrafen bis zu einem Jahr und Geldstrafen bis 500.000,- Mark konnten verhängt werden, wenn gegen Vorschriften des Reichswirtschaftsministeriums verstoßen wurde.[6]
Der Wirtschaftsverband für Rohteer und Teererzeugnisse sowie der Schwefelsäureausschuß folgten. 1925 wurden der Halbzeugverband, der Röhrenverband, der Walzdrahtverband, der Grobblechverband, der Stahleisenverband und andere Syndikate neu formiert.
Wie in der Industrie herrschten im Handwerk mittelalterliche Korporationen. Das öffentlich-rechtliche Innungswesen expandierte in der Weimarer Republik gegenüber dem Kaiserreich noch. 1926 gehörten den Innungen eine Million Meister an, das waren 75 %. Im Vergleich mit 1913 hatte sich die Zahl der Innungsmitglieder verdoppelt, selbst gegenüber 1919 war sie um 300.000 angewachsen. Etwa 800.000 Meister waren Mitglieder von Zwangsinnungen, 200.000 von freiwilligen Innungen. Die Handwerkerorganisationen forderten die obligatorische Innung, die Preisfixierung und den Großen Befähigungsnachweis (der ihnen 1897 verweigert worden war, den sie von Adolf Hitler endlich bekamen und der noch heute in vielen Handwerken obligat ist). Warenhäuser und Konsumgenossenschaften sollten verboten werden und ein berufsständisches Wirtschaftsparlament wurde herbeigesehnt. Die Weimarer Zeit führte zu einem höheren Organisationsgrad, die handwerkspolitischen Früchte der Agitation wurden nach 1933 abgeerntet.
Im Dezember 1919 wurden die Außenhandelsstellen geschaffen, am 20. Februar 1920 tagte erstmals der Wirtschaftrat, der am 4. Mai 1920 als Reichswirtschaftsrat installiert wurde. Im September 1923 wurde ein Kommissar für Devisenerfassung ernannt. Devisenzwangswirtschaft gab es vom Beginn der Weimarer Republik bis zum November 1924 und ab dem 15.7.1931.
Mit dem Beginn der Weltwirtschaftskrise wurde am 17.7.1930 das Brotgesetz erlassen. Bereits am 4. Juli 1929, noch unter dem Ernährungsminister Hermann Dietrich (DDP) waren die Mühlen verpflichtet worden, deutschen Weizen auszumahlen. Der Importweizen wurde bis 1932 auf 3 % zurückgefahren. Um den Zuckerpreis hoch zu halten wurde die deutsche Zuckerindustrie zwangskartelliert und die “Wirtschaftliche Vereinigung der deutschen Zuckerindustrie” geschaffen. Der mit staatlichen Zwangsmaßnahmen künstlich erhöhte Zuckerpreis führte zu Absatzschwierigkeiten, die den Abbau des Zuckerberges verzögerten. Die Regierung Müller (SPD) hatte am 26. März 1930 das Reichsmaisgesetz erlassen, der neu geschaffenen Reichsmaisstelle mußte ab dem 1. April 1930 der gesamte importierte Mais angeboten werden.
Zahlreiche Verordnungen für die Verwendung von bestimmten Produkten folgten: der Beikirnungszwang für Margarine, der Beimälzungszwang für Brauereien, der Beizellungszwang für Papierfabriken, der Holzbeischliffzwang bei der Zelluloseherstellung, der Beischmelzzwang für Eisenerz sind Beispiele für die Entfaltung der Zwangswirtschaft. Weitere Marterwerkzeuge aus der Folterkammer der Kriegswirtschaft waren die bis zum 19. Juli 1926 geltende Preistreibereiverordnung und die Preisprüfungsstellen. Mit der IV. Notverordnung von 1931 wurde bereits wieder ein Preiskommissar berufen. Er wurde mit erheblichen Vollmachten ausgestattet, bis zur Möglichkeit der Betriebsschließung. Im Juli 1930 wurde bereits die Kartell-Notverordnung erlassen, die unwirtschaftliche Preisbindungen verhindern sollte.[7] Was war eine wirtschaftliche Preisbindung, was eine unwirtschaftliche?
Als die Bankenkrise ausbrach und die Danatbank zahlungsunfähig wurde, verfügte die Reichsregierung Anfang 1932 kurzerhand Bankenzusammenschlüsse: Die Danat-Bank und Dresdner Bank einerseits und die Commerz- und Privat-Bank und der Barmer Bank-Verein Hinsberg, Fischer & Co. in Düsseldorf andererseits mussten miteinander fusionieren. Eine gleichzeitige „Kapitalrekonstruktion“ hatte die Beteiligung des Reiches und der Reichsbank in Höhe von 70 % an der Commerz- und Privat-Bank zur Folge. Es gab kein wesentliches Aufmucken der Kapitaleigner, weil diese etatistische Herangehensweise inzwischen eingeübt war.
Viele Wirtschaftswissenschaftler der Weimarer Zeit, hier wären exemplarisch der Sozialdemokrat Rudolf Hilferding und Joseph A. Schumpeter zu nennen, machten sich über den Charakter der wirtschaftlichen Zwangvereinigungen etwas vor. Die Frage, die es zu lösen galt war: Waren diese Wirtschaftsvereinigungen, die durch staatlichen Druck zustandegekommen waren, dennoch freiwillige privatwirtschaftliche Zusammenschlüsse mit überwiegend privatwirtschaftlichem, individualistischem und damit kapitalistischem Charakter, oder waren es privatwirtschaftliche Monstren mit staatlichen Abhängigkeiten und überwiegend planwirtschaftlichem Charakter? Die Wirtschaftswissenschaft hätte sich fragen können, ob die Wirtschaftsvereinigungen, die Trusts, die Syndikate nicht eher organisiert waren wie die privatwirtschaftlichen Markgenossenschaften, Zünfte und Gilden, denen das Element individualistischer Wirtschaftsführung und damit der kapitalistische Geist völlig fehlten.
Hilferding mochte auf den Begriff des Kapitalismus für diese Wirtschaftsform nicht verzichten:
“Wir befinden uns augenblicklich in einer Periode des Kapitalismus, der im wesentlichen die Ära der freien Konkurrenz, in der der Kapitalismus rein durch das Walten der blinden Marktgesetze beherrscht war, überwunden ist, und wir zu einer kapitalistischen Organisation der Wirtschaft kommen, also von der Wirtschaft des freien Spiels der Kräfte zur organisierten Wirtschaft…Organisierter Kapitalismus bedeutet…in Wirklichkeit den prinzipiellen Ersatz des kapitalistischen Prinzips der freien Konkurrenz durch das sozialistische Prinzip planmäßiger Produktion. Diese planmäßige mit Bewußtsein geleitete Wirtschaft unterliegt in viel höherem Maße der Möglichkeit der bewußten Einwirkung der Gesellschaft, das heißt nichts anderes, als der Entwicklung durch die einzige bewußte und mit Zwangsgewalt ausgestattete Organisation der Gesellschaft, der Einwirkung durch den Staat…Das heißt nichts anderes, als daß unserer Generation das Problem gestellt ist, mit Hilfe des Staates, mit Hilfe der bewußten gesellschaftlichen Regelung diese von den Kapitalisten organisierte und geleitete Wirtschaft in eine durch den demokratischen Staat geleitete Wirtschaft umzuwandeln.”[8]
Hilferding räumte den Verlust der kapitalistischen Prinzipien ein, er idealisierte die Möglichkeiten der Planwirtschaft, er diagnostizierte den endgültigen Zugriff des Staats, aber er ahnte seltsamerweise nicht, daß am Schluß weder ein demokratischer noch ein marxistischer Staat, sondern ein nationalsozialistischer Staat mit einem ausgeprägten diktatorischen Herrschaftsanspruch zugreifen würde. Die Wirtschaftsvereinigungen waren keine Brutstätten der Demokratie, sondern Kinderstuben der Tyrannei. Das verkannt zu haben ist die wirkliche Schuld der Sozialdemokratie in der Weimarer Republik, es ist gemessen an der Produktionskraft Deutschlands jedoch eine gewaltige Schuld.
Es ist schwer diesen deutschen Sonderweg des Wirtschaftens zu beschreiben: Wenn gerade einmal keine Preiskontrollen durchgeführt wurden (nur 4 Jahre von Juli 1926 bis Juli 1930) gab es bei der Preisbildung schon das Gesetz von Angebot und Nachfrage als kapitalistisches Prinzip. Die längste Zeit wurden jedoch die Produktionsmenge und die Preise gesteuert. Der Außenhandel war praktisch ein staatliches Monopol, das auch nur zeitweilig gelockert wurde. Devisenzwangswirtschaft gab es bis Ende 1924 und ab dem Juli 1931 wieder. Fast alle staatlichen Eingriffe verbargen sich hinter der Fassade der Selbstverwaltung der Wirtschaft. Die Machtfülle der Wirtschaftsverbände gegenüber den Einzelunternehmungen erinnert an die Allmacht der Zünfte gegenüber den Meistern, die detaillistische Reglementierung gleicht auch der bei den Zünften. Einige Kartellverwaltungen der Weimarer Zeit hatten bis zu 1.000 Mitarbeiter und übertrafen die Zahl der Mitarbeiter in den Verwaltungen der angeschlossenen Betriebe bei weitem.
Adolf Hitler pflückte die planwirtschaftlichen staatlichen und berufsständischen Institutionen wie reife Früchte vom morschen Baum der Republik, um sie in die Institutionen des Dritten Reichs einzuordnen. Während der Kriegswirtschaft des 1. Weltkriegs, teilweise sogar davor, waren diese faulen Früchte der Planwirtschaft gesät und gelegt worden, die Republik züchtete diese fatalen Früchte und ließ sie wachsen, gedeihen und reifen.
Letztlich hatte der erste Weltkrieg in allen Teilnehmerstaaten die marktwirtschaftlichen Fundamente mehr oder weniger stark beschädigt bzw. zerstört. Deutschland war nicht das einzige Land, das zwischen den Weltkriegen auf eine totalitäre Gesellschaft zusteuerte. Die planwirtschaftliche Seuche grassierte in ganz Europa, bei den Verlierern des Weltkrieges und im Osten etwas stärker als bei den Siegern und im Westen.
Dieser Aufsatz wurde dem eBook „Der Bausatz des Dritten Reiches“ entnommen. Das Buch ist unter anderem bei Amazon erhältlich.
[1] Walter Rathenau: Deutschlands Rohstoffversorgung, Berlin 1916, S. 44
[2] Herbert Schwenk: “Ein Baum der mehr Blüten als Früchte trägt…” in www.luise-berlin.de/bms/bmstxt00/0006porb.htm
[3] www.documentarchiv.de/wr/gk-wirt_best.html
[4] Gerd Koenen: Der Russland-Komplex, C.H.Beck, 2005, S. 60
[5] Ein deutlicher Beweis, daß auch die selbsternannten Internationalisten am deutschen Sonderweg klebten.
[6] M. Nussbaum, Wirtschaft und Staat in Deutschland während der Weimarer Republik, Akademie-Verlag, Berlin, 1978, S. 67 f.
[7] M. Nussbaum, Wirtschaft und Staat in Deutschland während der Weimarer Republik, Akademie-Verlag, Berlin, 1978, S. 306 f.
[8] Rudolf Hilferding auf dem Kieler Parteitag der SPD 1927, zitiert in: www.trend.partisan.net/trd0202/t110202.html