Die Entwicklung der Targetsalden ist ein hartes Argument, die Altersvorsorge in die eigene Hand zu nehmen. Mit Sachwerten natürlich. “Gold und Silber lieb ich sehr, kann’s auch gut gebrauchen, hätt ich nur ein ganzes Meer, mich hineinzutauchen”. Dieses Lied wurde 1828 von August Schnetzler gedichtet, es paßt in unsere Zeit.
Target heißt auf englisch „Ziel“. Aber kann es das Ziel sein, Schulden zu machen? Es handelt sich nämlich nicht um ein Ziel, sondern wieder einmal um eine unsägliche Abkürzung: Transeuropäisches automatisches Echtzeit-Brutto-Express-Abwicklungssystem. Die sogenannten Targetsalden im Außenhandel der Euroländer sind nichts anderes, als die angeschriebenen Schulden. Früher gab es beim Kaufmann eine Tafel, auf der man anschreiben lassen konnte, wenn man kein Geld hatte, aber trotzdem etwas mitnehmen wollte. Und diese Tafel gibt es in der EU auch.
Riesige Summen stehen da angeschrieben, 719 Milliarden € zugunsten Deutschlands. Mit so großen Summen kann niemand was anfangen. Die muß man mal runterbrechen auf den einzenen Bürger. Und dann kann man erst die Bedeutung ermessen. Also: Jeder Deutsche hat den Spaniern, Portugiesen, Griechen, Italienern, Österreichern, Letten, Slowaken, Litauern, Franzosen, Iren und Slowenen Investitions- und Konsumkredite von insgesamt 8.750 € gegeben. Für eine vierköpfige Familie kommt da ein Mittelklassewagen zusammen. Und dieser Kredit ist wegen Mario Draghis „Brechung der Zinsknechtschaft“ auch noch so gut wie zinslos. Die Targetsalden der Tabelle entsprechen dem Stand von Nov. 2016.
Targetsaldo | Einw. | Target/Einw. | |
Mio € | Mio | € | |
Deutschland | 719244 | 82,2 | 8750 |
Luxemburg | 169146 | 0,6 | 282000 |
Niederlande | 115896 | 17 | 6820 |
Finnland | 49768 | 5,4 | 9220 |
Belgien | 7688 | 11,3 | 680 |
Zypern | 5432 | 0,9 | 6030 |
Estland | 950 | 1,3 | 730 |
Malta | 822 | 0,4 | 2055 |
Slowenien | -501 | 2,1 | -240 |
Litauen | -1825 | 2,9 | -630 |
Irland | -2047 | 4,8 | -430 |
Slowakei | -4600 | 5,4 | -850 |
Lettland | -5039 | 2 | -2520 |
Frankreich | -30855 | 66,3 | -470 |
Österreich | -31101 | 8,7 | -3570 |
Portugal | -71860 | 10,3 | -6980 |
Griechenland | -72360 | 11 | -6580 |
Spanien | -330188 | 46,4 | -7120 |
Italien | -362985 | 60,6 | -5990 |
Die Frage ist natürlich, ob jeder Spanier, Portugiese, Grieche, Italiener und Ösi das zurückzahlen kann. Bei den Österreichern, Slowaken, Iren und Slowenen habe ich noch einiges Vertrauen. Sogar die Franzosen könnten das mit etwas Glück schaffen. Ein guter Teil der Forderungen wird jedoch uneinbringlich sein.
Schulden allgemein und Schuldpapiere insbesondere landen auf die eine oder andere Art in den Portfolios von Rentenversicherungen und Lebensversicherern. Der Gesetzgeber will das übrigens so, es gibt Verordnungen, mit denen die Versicherer gezwungen werden Anleihen zu erwerben. Die Targetsalden haben also etwas mit unserer Alterssicherung zu tun.
Wenn wir die uneinbringlichen Schulden mal auf unsere Rente umrechnen: Wenn man ganz grob eine durchschnittliche Rentendauer von 20 Jahren annimmt, so sind das 240 Monate. 8.750 € geteilt durch 240 Monate ergibt 36 €. Wenn das Geld futsch ist, bekommt jeder mal 36 € weniger Rente, und das jeden Monat.
Wenn es gut geht, sind es nicht 36 €, sondern nur 20 oder 30 €, die monatlich flöten gehen.
Für Spitzenverdiener wie Martin Schulz, Christine Hohmann-Dennhardt oder Ferdinand Piech mag das nicht groß ins Gewicht fallen. Wer im Alter allerdings die Grundsicherung erhält (385 €), für den ist das schon richtig Geld.
Merkel hat es versäumt, für Deutschland die Notbremse zu ziehen und aus dem Euro auszutreten. Ende 2006, kurz nach ihrer Machtübernahme, war die Welt nämlich noch in Ordung. Der deutsche Kredit an die anderen Europartner betrug 5.399 Mio €, also nicht einmal ein Hundetstel der heutigen Summe. Seither haben die Kanzlerin und ihr Finanzminister das hektische Gebimmel der Alarmglocken verschlafen. Martin Schulz hat der CDU sekundiert und den Euro schöngeredet. Im Interwiev mit dem Tagesspiegel im Juli 2011:
„Angesichts der bevorstehenden Abstimmungen im Bundestag haben wir eine sehr sorgfältige Abwägung vorgenommen. Wir haben uns die Frage gestellt: Was ist eigentlich das größere Risiko für Deutschland – die bereitgestellten Garantien für den Euro-Rettungsschirm EFSF oder das Auseinanderbrechen der Euro-Zone? Wenn die D-Mark wieder eingeführt würde, wäre der Aufwertungsdruck für Deutschland ein derart unkalkulierbares Risiko, dass es ein Akt der Vernunft ist, den Euro zu stabilisieren. Deshalb hat die SPD diesen Kurs eingeschlagen.“
Eine grandiose Fehleinschätzung von Schulz, wie sich seit Jahren zeigt: Der fehlende Aufwertungsdruck führt zu immer größeren Außenhandelsüberschüssen Deutschlands (letztes Jahr 280 Mrd. €), die zu immer größeren Target-Salden führen. Und zu immer mehr Frustration in Südeuropa wegen mangelnder Wettbewerbsfähigkeit. Und Schulz hatte auch ein Problem mit der parlamentarischen Kontrolle:
„Ich habe Verständnis für die Kollegen des Bundestages, die die parlamentarische Kontrolle über solch große Summen behalten wollen. Im Umkehrschluss erwarte ich von den Kollegen aber auch, dass sie dem Europaparlament das volle Kontrollrecht in dem Moment überlassen, sobald Gelder aus dem Rettungsfonds bei den europäischen Institutionen angekommen sind und von diesen verwendet werden.“
Wenn er sich nicht versprochen hätte, hätte er gesagt: „und von diesen verschwendet werden.“ Wenn sich Schulz jetzt als Alternative zu Merkel aufspielt: Das Interwiev mit dem Tagesspiegel beweist, daß er schon 2011 der Ziehkasper von Merkel war und die SPD auf Eurokus gehalten hat.
Unsere polnischen Freunde haben das passende Sprichwort: „Es st nie so schlimm, daß es nicht noch schlimmer kommen könnte.“ Wirklich schlimm sieht es für die Luxemburger aus: Die hätten im Monat 1.175 € weniger Rente, wenn alles mit den Targetsalden schief geht. Schulzens Freund Jean-Claude Juncker ist eben ein Synonym für Solidität…