Vor ihrer zwangsweisen Christianisierung, lebten die Völker Mitteleuropas nach eigenen keltischen und germanischen Glaubensvorstellungen. Wer sucht, kann aus dieser Zeit noch vieles im Brauchtum auch heute noch entdecken.
So wird Ostern nicht erst seit der Einführung des Christentums gefeiert. Mit seinen zahlreichen heute noch gepflegten Bräuchen hat es eine viel ältere Tradition. Osterei und Osterhase sind Symbole der frühgermanischen Göttin Ostara. Wir müssen also in Gedanken viele tausend Jahre zurück gehen, um nach den Ursprüngen von Ostern zu suchen. Von Alters her war das Fest zwar stets mit dem Gedanken der „Auferstehung“ verbunden; diese „Auferstehung“ hatte aber einen völlig anderen Hintergrund.
Unsere Altvorderen feierten nicht – wie heute – an dem Sonntag, der auf den Vollmond nach der Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche folgte, sondern exakt an jenem Tag, an dem Tag und Nacht gleich lang waren – also im März. Ihr Fest galt der Göttin Ostara (englisch Eostrae). Ab diesem Tag scheint die Sonne nach jedem Aufgang wieder länger, die Nächte werden kürzer, und so kommen mit dem zunehmenden Sonnenschein Licht, Wärme und Leben in die Natur. Auf diesen Tag mögen die Menschen nach den langen Wintermonaten sehnlichst gewartet haben. Die Frühlings-Tag-und-Nachtgleiche war deshalb für sie ein bedeutendes Fest.
Die erste schriftliche Erwähnung der „Göttin Eostrae“ stammt aus Aufzeichnungen des englischen Kirchenhistorikers Venerabilis, einem Mönch des 8. Jahrhunderts. Er gibt an, dass der Name des Ostermonats auf eben jene Göttin Eostrae zurückzuführen sei.
Woher konnten die Vorfahren wissen, zu welchem Zeitpunkt einmal im Frühjahr und ein anderes mal im Herbst Tag und Nacht gleich lang sein werden? Sie hatten weder Kalender noch Uhren. Wie konnten sie erkennen, wann die Stunden am Tag und zur Nacht identisch sind? Eine Antwort geben uns alte Sonnenobservatorien wie Stonehenge. Nicht nur in England gab es solche Observatorien, auch in Germanien wie etwa im thüringischen Nebra. Die ausgegrabene älteste bisher bekannte Himmelsscheibe ist über 4000 Jahre alt. Mit ihr konnte der Frühlingspunkt genauestens bestimmt werden.
Osterei und Osterhase sind nicht allein alte mythische nordisch-germanische Symbole. Das Ei wurde im gesamten semitischen Raum, von Persien über Syrien, Palästina bis nach Ägypten mit der Göttin Astarte verbunden. Es war nicht nur ein Symbol der Wiedergeburt allen Lebens – das Eigelb symbolisierte das Licht der aufgehenden Sonne.
Ostereier wurden auch früher schon bemalt, sehr häufig rot. Hellrotes Blut galt als Zeichen besonderer Fruchtbarkeit. Junge Mädchen, die in Germanien zu Ostara ihre erste Monatsblutung bekamen, wurden besonders verehrt. Ihr Blut galt als heilig. Es wurde rituell der Erde übergeben, um die Fruchtbarkeit des Bodens zu stärken.
Mancherorts gibt es noch heute für die Feldflur ein besonderes Segnungsritual: die „Feldweihe“. Der Bauer schreitet seine Felder ab und steckt an jeder Ecke des Ackers heilige Kräuter, wie Pfefferminze, Schlüsselblume oder auch Weidenäste in den Boden und eine Kerze dazu. Während des ganzen Rituals bittet er um gute Ernte und Schutz für seine Felder.
Der Hase ist das heilige Tier Ostaras. Der Sagen- und Mythenforscher Gundarsson vermutet, dass Hasen nur zu diesem Fest gegessen werden durften. Da Papst Zacharias im Jahr 755 im Zuge der Christianisierung das Verspeisen von Hasenfleisch verboten hat, haben die Menschen in Erinnerung an die verehrte Ostara ganz einfach Kuchen und Brote in „Hasenform“ gebacken.
Auch zum (christlichen) Osterlamm gibt es uralte Bezüge. Im „Lamm“ kann eine Umdeutung des “Widders” gesehen werden. Thor/Donar erfüllte als Wettergott eine wichtige Aufgabe innerhalb der bäuerlichen germanischen Gesellschaft. Deshalb wurde zu seiner Ehre ein Widder am Frühlingsfest geschlachtet.
Auch ein 40-tägiges Fasten wurde lange Zeit vor Christentum bereits praktiziert. 1000 v. Chr. wurde als Kulthandlung die 40 tägige “Fastenzeit” eingeführt.
Wenn zu Beginn des Fastenbeginns den Katholiken ein Kreuz mit Asche auf die Stirn gestrichen wird, dann hat dies auf einer tieferen Ebene mit “Aschera” zu tun. Es ist der ursprünglich kanaanitisch-phönizische Name der Astarte – womit sich wiederum der Kreis zum Osterfestnamen schließt. Im althochdeutschen lautete der Name noch „Ôstarûn“. Der Sprachforscher Jacob Grimm leitete daraus den Namen Ostara ab.
An Ostern begegnet uns ein Hauch ursprünglicher Spiritualität, wie sie die Menschen der Vorzeit erlebten, jener Wahrnehmung, die durch die direkte Erfahrung der Natur bestimmt war, in der göttliche Energien erlebbar wurden. Die Natur als Mutter-Göttin, die Leben spendet, Leben erhält, Leben nimmt und aufs neue belebt, war in vielen Kulturen ein Heiligtum. Das Wissen um unsere nordisch-germanische Geschichte geht leider immer mehr verloren oder wird zur Harry-Potter-Welt verunstaltet.
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